Der Straßenbahn-Triebwagen TW 144

Der TW 144 gehörte innerhalb der Fahrzeugbetriebsnummern 141 – 161 zum vierten Wagentyp, den die "Große Casseler Straßenbahn Actiengesellschaft" (Vorgängergesellschaft der KVG) in den Jahren 1909 bis 1913 beschaffte. Hier kommt er vom Betriebshof Wilhelmshöhe und biegt auf die von der Endhaltestelle im Bergpark Wilhelmshöhe kommende Straßenbahnstrecke Richtung Innenstadt Kassel ein, der historischen Linie 1 über die Wilhelmshöher Allee.

Wie die im Artikel zum TW 110 genannten 14 Triebwagen wurden auch diese 21 Fahrzeuge in drei Jahreslosen von v. d. Zypen & Charlier geliefert. Mit ihrer ursprünglichen Aufbaulänge von 8.100 mm (8.650 mm über die Kupplungen gemessen) und ihrem kurzen Achsabstand von 1800 mm waren sie besonders für die engen und kurvigen Straßen der "Casseler" Altstadt geeignet, boten dafür aber auch weniger Raum.

Der TW 144 steht zwar seit längerer Zeit im TMK, scheinbar hält er aber neben einer ehemaligen Straßenlaterne ("Bischofstab") der Oberen Königsstraße, vielleicht auf der Weiterfahrt zur Weserspitze am Friedrichsplatz, vielleicht sogar wegen seines kurzen Achsabstands über die engkurvige Altstadtstrecke an der Martinskirche vorbei zum Freiheiter Durchbruch?

Der Triebwagen TW 144 war zwar etwas länger und hatte auch einen 200 mm größeren Achsabstand als die zweite Triebwagen-Reihe mit den Betriebsnummern TW 41 80, von denen kein Exemplar mehr erhalten ist. Aber alle drei Baureihen (1 14, 41 80 und 101 113) konnten laut erhaltenen Straßenbahn-Fahrzeuggrundkarten die "Casseler" Altstadtstraßen mit einem kleinsten Krümmungsradius von 15 m befahren. Knapp oder nicht befahrbar hätte es  was wir allerdings nicht wissen – durch die Aufbaulänge werden können, wenn diese an Hauskanten anschrammten.

Der Wagen hatte wie die früher beschafften Triebwagen einen Aufbau aus Holz. Mit seiner ursprünglichen Aufbaulänge von 8.100 mm wurden der Innenraum und dortigen die Fenster gegenüber dem TW 110 anders gestaltet: Zwischen drei seitlichen Fenstern von 1.000 mm Breite waren zwei herablassbare schmalere mit 565 mm eingefügt und die Wagen hatten wie die nicht erhaltene zweite Bauart TW 41 - 80 wieder rechts und links Längsbänke mit je 9 Sitzplätzen. Außerdem gab es 16 Stehplätze.

Nein, er ist nicht zur Weserspitze gefahren, sondern am Königsplatz die Kölnische Straße hoch und über den Scheidemannplatz und die Kurfürstenstraße in den Tunnel auf ein Regiotramgleis des Kulturbahnhofs. Er steht nun abfahrbereit neben der schweren Güterzuglok 44481. Ob noch Fahrgäste kommen, die die 18 Sitzplätze einnehmen wollen? Nun, mal eben schauen geht leider für unsere Besucher nicht!

Der Innenraum war sicherlich gut überschaubar, auch wenn dort einige der Fahrgäste standen. Ordnung musste sein und daher hatte der Schaffner (erkenntlich am mahnenden Ruf: "In die Mitte gehn!") auf der jeweils hinteren Plattform seinen eigenen Platz.

    

    

     

An alles war gedacht! Hatten der TW 110 und seine Brüder noch Klappfenster im Dachraum, gab es in der Baureihe 141 161 per Griff drehbare Fenster. Und selbstverständlich auch wieder das Gepäcknetz.

     

     

     

       

An alles war gedacht: Sollte abends oder nachts mal der Fahrstrom ausgefallen sein, gab es anstelle der in Reihe geschalteten vier Leuchten mit Glühlampen 150 V an mehreren Stellen ausklappbare Notleuchten. Wie der Griff der Schiebetür, die erst 19330/35 eingebaut wurde, zu bedienen war wurde den Fahrgästen sogar durch Pfeile nähergebracht. Und wie man unfallsicher auszusteigen hat war auch dargestellt.   

Nachfolgend eine Tabelle mit den erhaltenen technischen Daten:

Hersteller Van der Zypen & Charlier Köln-Deutz  
Baujahr 1909    
Länge über Puffer 8.650 mm nach Umbau 9.600 mm
Aufbaulänge 8.100 mm nach Umbau 9.000 mm
Breite 2.100 mm  
Höhe ü. Schienen-Oberk.   3.900 mm eingezogener Stromabn.
Achsabstand 1.800 mm  
Spurweite 1.435 mm  
Leermasse 10.300 kg  
Stromsystem 600 V=  
Leistung vor Umbau 2 * 33 kW  
Modernisierung 1920 – 1922 / 1930 – 1935    
Leistung nach 1. Umbau 2 * 34 kW  
Höchstgeschwindigkeit 40 km/h  
1. Betriebsbremse Motorstrom auf Widerstände generatorisch  
2. Betriebsbremse 2 * Schienenbremse 2 * 3.000 kg  
Handbremse Feststellbremse arretierbare Kurbel     
Sitzplätze 18 alle in Längsanordnung    
Stehplätze urspr. 16 inkl. Plattformen  23 nach Neubewertung
in Betrieb bis 1964 danach Reklamewagen 720  
Umrüstung als Pers.-TW 1977 zum 100-jähr. Jubiläum Bauzustand ca. 1935  

Die Betriebsweisen des TW 144 (Anfahren und Beschleunigen / Fahren auf weitgehend ebener Strecke mit geringem Drehmomentbedarf / Abbremsen bis zum Stillstand) gleichen qualitativ in Allem denen der TW 110 und TW 214 und müssen daher hier nicht wiederholt werden. Selbstverständlich sind wegen unterschiedlicher Motor- und Getriebedaten sowie Treibraddurchmessern quantitative Unterschiede da, teils bedingt durch das Herstellungsdatum, teils durch den Fortschritt der technischen Entwicklung. 

Derzeit steht der Triebwagen TW 144 in unserem Depot und kann leider nicht besichtigt werden.

Oberstes Foto und Tabelle: Volker Credé, TMK

Weitere Fotos, Bildmontagen und Text: Wolfgang Dünkel, TMK

Quellen und Empfehlungen: 

  • Ein Jahrhundert Kasseler Nahverkehr – Aus der Geschichte des Kasseler Nahverkehrs, G. A. Stör und Mitarbeitende, Hrsg. Kasseler Verkehrs-Gesellschaft Aktiengesellschaft, Seite 113 – 114
  • Detaillierte Angaben zu allen Kasseler Straßenbahnen und zum ÖPNV finden Sie unter dem Link Tram - Kassel 

(last update 07.03.2023)

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