Energieversorgung mit Drehstrom-Transformatoren

Können Sie als Leser dieser Seite oder Besucher unseres TMK sich vorstellen, wie gern wir Ihnen ein solches "Prachtexemplar" eines Netztransformators zeigen würden? Dieser hier abgebildete ist aufgrund seines Alters zur Verschrottung bestimmt, hat also nur noch Materialwert. Selbst wenn wir diesen aufbringen und das noch mehrere Jahre abtropfende Trafoöl gefahrlos auffangen könnten, wir haben einfach nicht den Platz.

Enthalten ist fast noch alles, was einen Netztransformator ausmacht: Der komplette dreischenklige Kern mit Ober- und Unterjochen aus hochwertigem Trafoblech, die Ober- und Unterspannungsspulen mit ihren Ausleitungen zu den Durchführungen, die vor den OS-Spulen liegenden Anzapfungen zum Stufenschalter zur lastabhängigen Spannungsanpassung, der Stufenschalter mit Grob- und Feinwähler sowie dem Lastumschalter ganz links usw. usw.  

Wir begnügen uns im TMK mit einem 50-kVA-Ortsnetztransformator für 20/0,4 kV, den wir von der EAM Netz GmbH in Kassel als Spende erhalten haben, und schildern in unserer ausführlichen Dokumentation – bei Ihrem Besuch kostenfrei bei uns downloadbar – an seinem Beispiel die Entstehungsgeschichte der Transformatoren, ihre Weiterentwicklung, Kenndaten und Komponenten sowie auf dieser Internetseite die wesentlichen Punkte, um Ihr Interesse zu wecken. Aber keine Sorge, in der downloadbaren Dokumentation wird auch das Innere des oben abgebildeten Netztransformators tabellarisch kurz dargestellt und außerdem ein Netztransformator für die Versorgung Kassels mit seinem Äußeren vorgestellt, denn wer als Nichtfachmann an einem Umspannwerk vorbeikommt, sieht immer nur das Stahlblechgehäuse mit den Trafo-Ausleitungen zur Schaltanlage, nie den aktiven Teil mit seinem inneren Aufbau und dessen Komponenten. Und um diese "Innereien" geht es bei dieser Internetseite. denn das Stahlblechgehäuse schützt den Trafo nur vor der Witterung und hält das zur Isolierung und Kühlung erforderlich Trafoöl im Inneren.

Um die Wirkungsweise eines Transformators und die Bedeutung des magnetischen Flusses in seinem Kern zu verstehen ein kurzer Blick in seine Entwicklungsgeschichte, zunächst zusammen mit der Entdeckung der Induktion durch Michael Faraday, für die ab 1886 für Beleuchtungszwecke zur Verfügung stehende Einphasenausführung:

  • Eventuell ohne die spezielle Bedeutung hierfür zu erkennen hatte der Engländer Michael Faraday in 1831 bei der Entdeckung der elektro-magnetischen Induktion mit seiner Methode des Zu- und Abschaltens von Gleichstrom durch eine Spule mit Eisenkern auch die Grundlage für den Transformator geschaffen. Denn in der zweiten Spule auf dem Eisenkern wurde bei Zuschaltung der ersten für kurze Zeit eine Spannung induziert und ebenso bei der Abschaltung mit der umgekehrten Polarität. Entscheidend für die Induktion ist die zeitliche Veränderung des Stroms wie beim Wechselstrom und nicht ein konstant fließender Gleichstrom. Lassen Sie sich dieses Experiment von Michael Faraday und weitere zum gleichen Thema bei uns im TMK vorführen. 
  • Die elektrische Energieversorgung mit Gleichstrom begann mit der Entdeckung des dynamoelektrischen Prinzips unter Nutzung des Restmagnetismus (Remanenz) durch den deutschen Erfinder und Begründer eines Weltunternehmens Werner Siemens in Berlin und den englischen Physiker Charles Wheatstone in 1866/67. Die ersten "Kraftzentralen" wurden zu Beginn der 1880-er Jahre in Berlin durch Siemens und in New York durch Thomas Alva Edison errichtet und konnten aufgrund der begrenzten Reichweite des Gleichstroms bei Spannungen um 110 V nur Verbraucher über kurze Entfernungen bis etwa zwei Kilometern versorgen, wirtschaftlich gerade noch vertretbar. Höhere Spannungen bei gleichen Leistungen mit entsprechend geringeren Stromwärme-Verlusten in den Leitungen waren sowohl wegen der existierenden Lampen für 110 V wie auch wegen der Isolationsproblematik in rotierenden Maschinen seinerzeit noch nicht realisierbar.

Vor der Landkarte der Übertragungsstrecke Lauffen a. N. – Frankfurt (Nordrichtung um 90° geschwenkt) steht auf der IEA 1891 der 100-PS-Drehstrom-Pumpenmotor zum Betrieb des Wasserfalls. Leider ist keiner der wechselweise betriebenen Drehstrom-Transformatoren von AEG und Oerlikon abgebildet

  • Aber bereits in 1881 stellten Lucien Gaulard und John Dixon Gibbs in London einen – auf dem Induktionsprinzip von Faraday beruhenden – "Sekundär-Generator" vor, da der heutige Begriff Transformator zur damaligen Zeit noch nicht üblich war. Für diesen wurde ein englisches Patent erteilt und Transformatoren werden daher bis heute zu den ruhenden elektrischen Maschinen gerechnet. Der amerikanische Erfinder, Ingenieur und Großindustrielle George Westinghouse erkannte die Nachteile der von Edison favorisierten Energieverteilung mit Gleichstrom und erwarb in 1885 die Patentrechte von Gaulard und Gibbs. Er importierte einige der "Sekundär-Generatoren" mit ihrem nachteiligen offenen magnetischen Kreis, demzufolge auch hohem magnetischen Streufluss und baute in Pittsburgh zusammen mit einem Wechselstrom-Generator von Siemens ein Netz für die elektrische Beleuchtung auf.
  • Der Westinghouse-Chefingenieur William Stanley nahm an den in Pittsburgh installierten Transformatoren wesentliche und patentierte Verbesserungen zum geschlossenen magnetischen Kreis vor und 1886 führten die Verbesserungen von Stanley in Great Barrington, MA, zu einer öffentlichen Wechselstromversorgung mit 500-V-Generator und 500-/3.000-V-Transformator, 3.000-V-Verteilungsnetz mit Freileitungen und an den örtlichen Anschlussstellen mit einigen 3.000-/100-V-Transformatoren zu einer elektrischen Beleuchtung.  

Man kann es getrost so sagen: So entstand in der Folge mit weiteren von Westinghouse installierten Netzen der einphasige ungemein hässliche amerikanische "Eimer"-Transformator für Wechselstrom, ausschließlich an der Funktion orientiert, mit seiner ebenso hässlichen und bei Unwettern extrem störanfälligen Freiluftinstallation. Das änderte sich auch nicht durch das kurz danach aufkommende zweiphasige Tesla-Konzept für 60 Hz mit zwei Einzeltrafos und blieb auch beim echten Drehstrom-System erhalten: Dann wurden eben für das zersiedelte amerikanische Einfamilienhausgebiet drei "Eimer" (siehe rechtes Teilbild) auf dem Holzmast installiert und die Freileitungsinstallation noch chaotischer!

Die Entwicklungsgeschichte des Drehstrom-Transformators hingegen ist eng an die Entwicklung eines Kurzschluss-(Käfig-)Läufermotors durch den Chefelektriker der Berliner AEG gekoppelt: Michael O. v. Dolivo-Dobrowolsky erfand diesen einfachen Motor für einen dreiphasig verketteten Wechselstrom in 1889 und musste für den zu erzielenden Durchbruch vor der nationalen und internationalen elektrotechnischen Fachwelt für die Frankfurter Internationale Elektrotechnische Ausstellung in 1891 (IEA 1891) mit der Übertragung einer Leistung von 150 kW über 175 km aus einem Wasserkraftwerk für ein Zementwerk von Lauffen a. Neckar nicht nur einen 100-PS-Drehstrom-Motor als Pumpenantrieb für einen künstlichen Wasserfall (siehe SW-Bild oben), sondern auch die Transformatoren für die Spannungsanhebung von 0,1 kV am Generator auf 15 kV für die Fernleitung wie auch für die Herabsetzung auf 0,1 kV auf der IEA 1891 schaffen (siehe später erscheinenden Artikel zu den Drehstrommotoren in diesem Teilgebiet der Elektrischen Energietechnik).

Leider sind keine Bilder des Inneren von dieser an den rotierenden Kurzschluss-(Käfig-)läufer eines Drehstrommotors erinnernden Grafik der ersten Transformatoren erhalten. Sowohl die AEG wie auch die mit ihr kooperierende Maschinenfabrik Oerlikon in Zürich bauten mehrere 150- bzw. 100-kVA-Transformatoren, welche während der IEA-Veranstaltungszeit sowohl in Frankfurt wie auch in Lauffen abwechselnd zum Einsatz kamen. Ein Foto der Außenansicht eines Oerlikon-Trafos, vermutlich in Lauffen aufgenommen, steht uns zur Verfügung und lässt aufgrund seiner gerundeten dreieckigen Form an die nebenstehende Grafik aus einem Vortrag am 01.11.1916 vor der Elektrotechnischen Gesellschaft Frankfurt im VDE erinnern, abgedruckt in vier Ausgaben der Elektrotechnischen Zeitschrift des Jahres 1917. Dies enthält auch unsere 20-seitige Dokumentation, downloadbar im TMK. 

Aber bereits im Oktober 1891 konnten die AEG und Dolivo-Dobrowolsky durch dessen Arbeiten mit dem Ergebnis der magnetischen Verkettung und praktisch wirksamer magnetischer Sternpunktbildung wie bei den verketteten Wechselströmen den bis heute und vermutlich noch viele weitere Jahrzehnte erfolgreichen und materialsparenden Drehstrom-Transformator in paralleler Schenkelanordnung zum Patent anmelden. Und so ist auch unser TMK-Exponat als 50-kVA-Ortsnetztransformator in Zickzack-Schaltung auf der Unterspannungsseite  für Schieflast in Gebieten mit wenigen Häusern außerhalb der Ortslage oder für Aussiedlerhöfe ausgebildet. Schieflast in den drei Außenleitern L 1 – L3 wird durch einphasige Last bzw. unsymmetrische Belastung der drei Außenleiter bewirkt, führt damit auch zu einem unsymmetrischen Magnetfluss in den drei Schenkeln und somit zu einer Sternpunktverlagerung, die wir auch an unserem Drehstrom-Demonstrations-Modell vorführen. Eine Zickzack-Schaltung mit der Aufteilung der Unterspannungsspulen auf jeweils zwei Außenleiter kompensiert dies in ausreichendem Maße, erfordert aber mehr Wickelraum um die Trafoschenkel und mehr Wickelmaterial. Bei Netztransformatoren wird hierzu eine in Dreieck geschaltete Ausgleichswicklung eingesetzt. 

Diese Seite des aus dem Kessel herausgehobenen aktiven Teils unseres TMK-Exponats Ortsnetztransformator stellt am oberen Pressrahmen aus Schichtholz die Mittelspannungsanschlüsse dar. Die durch einen Schlauch besonders geschützten linken Anschlüsse jedes Spulenschenkels sind mit der Durchführung zum 20-kV-Anschluss jedes der drei Außenleiter L1, L2 und L3 verbunden. Die vier anderen liegen Sternpunkt nah und stellen die Anzapfungen für die Spannungsverstellung +/-4% dar. Der sichtbar dünne Spulendraht ist gut erklärlich: Bei vollen 50 kVA Trafo-Belastung fließen dort bei 20 kV lediglich 1,44 A

Diese Seite des aus dem Kessel herausgehobenen aktiven Teils unseres TMK-Exponats Ortsnetztransformator stellt am oberen Pressrahmen aus Schichtholz die Niederspannungsanschlüsse dar. Die Anschlüsse jedes Spulenschenkels sind mit der Durchführung zum 0,4-kV-Anschluss jedes der drei Niederspannungs-Außenleiter L1, L2 und L3 verbunden. Das sichtbare Profilmaterial für die Spulen würde bei voller Trafo-Belastung mit 50 kVA bei 0,4 kV verketteter Spannung bzw. 0,23 kV Strangspannung mit 72,2 A durchflossen. Unten ist die Zickzack-Schaltung zu erkennen

Hier ist getrennt vom mittleren Bild die Zickzack-Schaltung der 0,4-kV-Unterspannungsseite für die Eignung zur Schiefbelastung des Transformators dargestellt: Jede Unterspannungsspule ist in zwei Teile geteilt, von denen jeder Teil mit den benachbarten Phasen, die ebenso geteilt sind, verbunden ist. Insgesamt werden somit mehr Windungen und damit auch mehr Wickelraum benötigt, da die Teilspannungen geometrisch entsprechend ihrer Phasenlage zusammengesetzt die Strangspannung 230 V bzw. die verkettete Spannung 400 V erreichen müssen

Text und sonst. Bilder: Wolfgang Dünkel, TMK

(last update 04.09.2022)

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Grafik- und Bildquellen:

Elektromagnetische Induktion: Eviatar Bach, https://commons.wikimedia.org/wiki/File: Faraday_emf_experiment.svg, gemeinfrei
Pumpenmotor IEA1891: https://de.wikipedia.org/wiki/Drehstromübertragung_Lauffen–Frankfurt#/media/Datei:Lauffen-Frankfurt_1891g.jpg, gemeinfrei 
Einphasentransformator: Glogger, https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Single-phase-pole-transformer-d335.jpg, gemeinfrei
Mast-Trafobank: Versageek, https://de.m.wikipedia.org/wiki/ Datei:Utility_pole_transformers.jpg, gemeinfrei
Grafik zu Drehstrom-Transformatoren: Elektrotechnische Zeitschrift (ETZ), 1917, Heft 28, S. 368, VDE-Verlag GmbH, Berlin

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