Saxonette - ein Fahrrad mit Hilfsmotor

Fahrräder sind seit jeher ein beliebtes Fortbewegungsmittel, welches einen weiterbringt als Schusters Rappen. Blicken wir beispielsweise zurück in die Zeit der Jahrhundertwende, da war es ein außerordentlicher Vorzug, im Besitz eines Fahrrades überhaupt zu sein.

Wer ein solches besaß war privilegiert. Angesichts fehlender oder teurer Verkehrsmittel konnte man mit diesem bequem und schnell die mitunter langen Wege zurücklegen; Radfahrer zu der Zeit waren gut trainiert und die Wadenmuskeln ausgeprägt. Wir möchten Ihnen das nachfolgende Fahrrad der Firma Winora mit „Sachs-Motor“ (Saxonette) vorstellen und damit den Blick auf die heutzutage etwas im Abseits stehenden Fahrräder mit Hilfsmotor lenken. Der erste Boom zur Ausstattung der Fahrräder mit Hilfsmotoren begann nach dem Ersten Weltkrieg, als erste findige Schrauber versuchten, die Motorisierung auch im Kleinen zu realisieren und sog. Hilfsmotoren in Fahrräder einbauten. Die Ideen waren dabei vielfältig und so befand sich der Motor wahlweise mal über dem Vorderrad, im Rahmendreieck, über oder neben dem Hinterrad.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden erneut günstige Verkehrsmittel von „Otto Normalverbraucher“ benötigt und nachgefragt; folglich erfreuten sich die Fahrräder mit Hilfsmotor in dieser Zeit großer Beliebtheit. Im Regelfall handelte es sich bei diesen Verbrennungsmotoren um Zweitaktmotoren zwischen 30 cm³ - 60 cm³ und einem Verbrauch von ungefähr 1,5 l auf 100 km. Die Bezeichnung „Hilfsmotor“ deutet darauf hin, dass der Einsatz des Motors zur Unterstützung erfolgte; das Fahrrad war auch ohne Motor fahrtüchtig.

Da die technische Entwicklung nicht stehen blieb, sich die Bedürfnisse und die Verhältnisse änderten, war der Boom dieser Einstiegsmodelle in eine Motorisierung bald wieder zu Ende. Der Einbau stärkerer, leistungsfähigerer Hilfsmotoren in Fahrräder konnte nicht realisiert werden, da u. a. die Rahmen der Fahrräder dafür nicht mehr geeignet waren. Die nachfolgenden leistungsstärkeren Mofas, Mopeds und Motorräder wurden attraktiver und waren für manchen nur eine Station auf dem Weg zum ersten eigenen Kleinwagen.

Einer der Hersteller von Verbrennungsmotoren zum Einbau in Fahrräder war die renommierte Firma „Fichtel & Sachs“ in Schweinfurt, die 1937 unter der Bezeichnung „Saxonette“ ein Fahrrad mit Zweitakt-Einbaumotor auf den Markt brachte. Dieses Modell mit einem Hubraum von 60 cm³ wurde von 1938 – 1940 produziert, ein zweites Modell mit einem wesentlich geringeren Hubraum von nur 30 cm³ von 1987 bis 2011. Dieser von Fichtel & Sachs gebaute Hilfsmotor konnte auch in 26er Fahrräder anderer Hersteller eingebaut werden - in unserem Fall in ein Fahrrad der Marke „Winora“.

Der Einbau in Fremdfabrikate konnte gut realisiert werden, da Fichtel & Sachs die komplette Baugruppe einschließlich der aus Aluminium gegossenen Hinterradfelge lieferte, weshalb kaum etwas angepasst werden musste.

Der Zweitaktmotor mit 30 cm³ Hubraum wurde mittels eines Seilzugs angelassen, was durchaus an einen Rasenmäher erinnert.

Der Tank ist platzsparend zwischen Gepäckträger und Hinterrad integriert. Noch weniger auffällig ist der Auspuff, der unterhalb des Motors angebracht und daher kaum zu sehen ist.

Fahrräder mit Hilfsmotor unterliegen nicht der Straßenverkehrszulassung, der Kfz-Steuer und der Hauptuntersuchung. Für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr werden ein Versicherungskennzeichen sowie eine Betriebserlaubnis benötigt. Leider wurden die erfolgreichen und beliebten Fahrrad-Hilfsmotoren nicht weiterentwickelt und können gegenüber den heutigen Elektromotoren nicht konkurrieren.

Text: Andrea Krischke, TMK

Bilder: Egon Hein, TMK

(last update 01.08.2021)

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