Brauneisenstein
Der Brauneisenstein gehört zur Gruppe der Eisenerze und wurde in Nordhessen an verschiedenen Standorten abgebaut. In dieser Betrachtung geht es nicht um den Stein selbst, es ist ein Abriss der Geschichte des Eisenerzabbaus im Raum Espenau und Immenhausen.
Die ersten nachweislichen Funde von Eisenerz datieren auf das Jahr 1516, nachdem Brauneisensteine von den Bauern auf den Feldern gefunden wurden. Jedoch geht aus einer Urkunde des Jungfernklosters Annaberg in Cassel hervor, das bereits 1390 eine Waldschmiede bei Weimar, heute Ahnatal, Eisenerze verarbeitet hat. Diese wurden vermutlich von Hohenkirchen bezogen.
Die Neueinrichtung eines Bergwerkes in Hohenkirchen ist datiert auf das Jahr 1583. Jedoch hatte die Eisenhütte zu Lippoldsberg schon ab 1555 Eisenerz aus Hohenkirchen bezogen. Daher ist es ungewiss, ab wann in Hohenkirchen Bergbau betrieben wurde. Abnehmer dieser Erze war von 1581 bis 1583 die Hütte in Vaake. 1591 wurde eine neue Hütte, mit der Bezeichnung Wilhelmshütte, nahe Knickhagen errichtet. Das Gebäude steht heute noch direkt an der Landstraße von Kassel nach Hann. Münden, an dem Abzweig nach Knickhagen. Anfangs wurden die Eisenerze für die Wilhelmshütte zwischen Knickhagen und Speele gegraben, jedoch nur mit mäßigem Erfolg, so dass man diese Gruben aufgeben musste und aus Hohenkirchen und Immenhausen die Erze bezog. 1663 wurde in Veckerhagen eine neue Eisenhütte mit zwei Hochöfen errichtet und die Hütte in Knickhagen aufgegeben. Erze für Veckerhagen kamen aus Hohenkirchen und anderen Abbaugebieten in Nordhessen. Man hatte festgestellt, dass ein Mix aus unterschiedlichen Erzen die Qualität des Eisens verbessert.
Der Erzabbau erfolgte im Tage- und Tiefbau in den Abbaugebieten Hohenkirchen (Epsenau), Hopfenberg und Lindhausen (bei Immenhausen). Das stetig anfallende Grubenwasser ist seit je her eines der Probleme im Bergbau. Anfangs waren pro Stollen vier Arbeiter damit beschäftigt, mit Schöpfeimern das Wasser aus der Grube zu schaffen. Später wurden Handpumpen eingesetzt, die durch pferdangetriebene Pumpen abgelöst wurden. Die Dampfpumpe schließlich war die Lösung für dieses Problem.
Die in Hohenkirchen und unmittelbarer Nähe abgebauten Erze brachte man nach Holzhausen. Hier befand sich ein Waschwerk, wo Bergleute das Erz vor dem Weitertransport zu den jeweiligen Hütten reinigten. Den Transport übernahmen zwangsverpflichtete Fuhrleute. In den Jahren 1668-1677 wurden von den Gruben Hohenkirchen, Hopfenberg und Lindhausen 5.523 Fuder Erz transportiert, was einem Gewicht von ca. 550 t entspricht.
Der landgräfliche Bergbau wurde von Anfang an von einer staatlichen Verwaltung beaufsichtig, die nach einer ersten Bergordnung, verfasst von Landgraf Moritz 1616, zu arbeiten hatte. Die Art der Verwaltung änderte sich regelmäßig:
Bis 1620 Aufsicht durch Berghauptmänner
1620-1629 Ein Bergkollegium
1630-1732 Bergverwaltung bei der Rentkammer
1733-1734 ein Bergkollegium
1735-1742 Rentkammer und Bergwerkskollegium
1743-1772 Kriegs- und Domänekammer
1773-1788 Oberrentkammer
1789-1821 Bergdepartement
Ab 1666 unterstanden alle Bergwerke, Hüttenwerke und Steinbrüche der Ober-Berg- und Salzwerksdirektion in Cassel. Ab 1866 nach der Übernahme Hessens durch Preußen wurden die Gruben privatisiert.
Die Grube Hohenkirchen, vor 1677 aufgemacht, bestand aus den Einzelgruben Maxgrube, Königsgrube und Erbprinzgrube. Der Hauptflöz befand sich in einer Tiefe von zehn bis 15 Metern und hatte eine Höhe von ca. vier Metern. Die Stollen reichten bis unter die Häuser des Ortes und bereiten noch heute den Anwohnern Probleme, da es zu Bodenverwerfungen kommen kann. Regelmäßig wird an den bestehenden Bauwerken geprüft, inwieweit sich die Bodenstruktur verändert.
An den genannten Standorten wurde nicht durchgängig Erz abgebaut. War eine Grube erschöpft oder es gab keinen Bedarf, stellte man den Bergbau ein, um ihn einige Jahre später bei geänderter Marktlage fortzuführen. Die dort vorkommenden Erze hatten teilweise einen hohen Mangangehalt, der für die Produktion von Stahllegierungen bestens geeignet ist, jedoch in den Anfängen der Eisenverhüttung noch nicht schmelzbar waren. Abgebaut und verhüttet wurde anfangs nur der Brauneisenstein. Das manganhaltige Erz verblieb in den Gruben.
Vor allem in Kriegsjahren, wo der Bedarf an Eisen groß war, wurden alte Abbaustätten wieder aktiviert bzw. neue Gruben aufgemacht, wie in den Zeiten des Siebenjährigen Krieges 1756 bis 1763. Auch profitierten die Gruben vom amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1775-1783, wo hessische Soldaten über Karlshafen nach Amerika vermietet wurden, um auf den Seiten der Engländer gegen die Franzosen zu kämpfen. Sie wurden mit Waffen und Kanonenkugeln aus hessischer Fertigung ausgestattet.
1872, nach dem Krieg gegen die Franzosen wurde der Bergbau in Hohenkirchen eingestellt. Die Gruben wurden verkauft und die Bergleute arbeitslos. Bis dahin hatte man gezielt nur leicht verhüttbare Erze abgebaut, vornehmlich den braunen Eisenstein. Die schwarzen, stark manganhaltigen Erze wurden stehen gelassen bzw. bis nach England exportiert und kamen als Roheisen mit einem englischen Gütesiegel zurück nach Deutschland. Große Bestände verblieben in den Gruben.
Ab 1881, mit dem Beginn der Industrialisierung und der Herstellung von Stahllegierungen wurden nun diese Erze gezielt abgebaut.
Der Bergbau stieß in diesen Jahren immer mehr auf den Widerstand der Einwohner, die sich vor allem gegen die Sprengarbeiten unter Tage wehrten. Sie erreichten, dass 1883 die Schießarbeit unter Tage verboten wurde. Als Konsequenz der immer schwieriger werdenden Situation wurde 1886 der Bergbau eingestellt und die 100 Bergleute in Hohenkirchen entlassen.
Das änderte sich 1917, wie man an vier Stellen im Tage- und Untertagebau erneut begann Erz zu fördern, da der Rohstoffeinkauf aus anderen Ländern kriegsbedingt nicht mehr möglich war. Neben den 100 deutschen Bergleuten waren 300 englische Kriegsgefangene zu Zwangsarbeit verpflichtet worden. Sie waren am Rande des Ortes in Baracken untergebracht und wurden schlecht versorgt. Daher bettelten sie bei den Einheimischen, die halfen, soweit es ihnen möglich war, obwohl die allgemeine Versorgungslage kriegsbedingt sehr schlecht war. Die abgebauten Erze wurden mit einer eigens dafür, ebenfalls von Zwangsarbeitern erbauten Feldbahn, von Hohenkirchen zum Bahnhof Mönchehof transportiert. Hier erfolgte die Verladung auf die Eisenbahn, die die Erze zu Unternehmen brachte, die verstärkt im Rüstungsbau tätig waren. Im Mai 1918 wurden die Gruben endgültig und für immer geschlossen. Damit endete in Hohenkirchen ein mindestens 400 Jahre dauernder Bergbau.
Die noch vorhanden Grubenfelder im Abbaugebiet wurden 1932 durch den freiwilligen Arbeitsdienst eingeebnet. Am Ortsausgang nach Immenhausen befindet sich eine kleine Gedenkstätte mit einer beladenen Feldbahn Lore und einer Übersichtstafel der ehemaligen Gruben und Bergwerke von Hohenkirchen. Hier befanden sich 1917-1918 die Erbprinzgrube, die Baracken für die Kriegsgefangenen und die Feldbahn.
Grubenkarte erstellt durch Siegfried Lotze 1989
Ein besonderer Dank gilt Herrn Klapp, Leiter des Heimatmuseums in Espenau, der mir die meisten der unten angegebenen Dokumente zukommen ließ, die die Grundlage für diese Ausarbeitung bildeten.
Quellen:
Rückblick-Sonderdruck die ehemalige Eisen- und Manganerzlagerstätte Hohenkirchen Teil I und Teil II.
Das Eisenbergwerk zu Hohenkirchen, Aufzeichnungen des Lehrers Ernst Steinbach
Aufzeichnungen des Lehrers Konrad Stüssel
Veröffentlichung über “Die Eisenbergwerke bei Hohenkirchen“ von Konrad Stüssel im “Heimatkalender für den Kreis Hofgeismar“, Jahrgang 1932 Seite 66 67
Auszüge aus “Abhandlungen der Preuß. Geol. Landesanstalt Neue folge Heft 132
Seite 20 “Das Eisenmanganerz von Hohenkirchen“
Seite 72 Nr. 14“Bergwerk Weideberg“
Geologische Interessengemeinschaft Nordhessen
Die ehemalige Eisen- und Manganerzlagerstätte von Hohenkirchen (Nordhessen) und weiteren Provenienzen . Ein Streifzug durch 400 Jahre Eisenerz-Bergbau von Peter Naumann 1992 Teil I und Teil II
Lotze, Siegfried. (1985): Die Eisenhütte in Veckerhagen1666—1903. Kasseler Hefte für Kunstwissenschaft und. Kunstpädagogik, Heft 6, Gesamthochschule Kassel in Verbindung mit dem Verein für hessische Geschichte und Landeskunde, Kassel - Zweigverein Hofgeismar.
Gusswaren der Kurfürstlich=Hessischen Eisenhütte zu Veckerhagen 1834. Als Reprint herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Siegfried Lotze, Verein für hessische Geschichte und Landeskunde 1834 e.V. Kassel, Zweigverein Hofgeismar, Historische Reprints,
Recherche im Internet zur Kontrolle der Angaben.
Grafiken Scans aus den o.a. Aufzeichnungen
Fotos Jochen Spier
Hier finden Sie eine verlinkte Auflistung unserer seit Oktober 2020 vorgestellten Objekte des Monats.