Hersteller von Präzisionsinstrumenten in Kassel und Umgebung

In der umfangreichen Sammlung historisch-wissenschaftlicher Instrumente werden zahlreiche Geräte gezeigt, die von Kasseler Unternehmen hergestellt wurden.

Das älteste Unternehmen dieser Art in Kassel ist die Firma F. W. Breithaupt & Sohn, die 1762 gegründet wurde. Auch heute noch werden Theodoliten, Nivelliere und andere Präzisionsgeräte nach neuester Technik gefertigt.

Otto Fennel gründete nach Jahren der Lehre in den Firmen Breithaupt und Henschel im Jahr 1851 sein eigenes Unternehmen mit dem Namen „Mathematisch-Mechanisches Institut Otto Fennel“. Fennel-Vermessungsinstrumente und Lasermessgeräte werden heute unter dem Namen  geo-Fennel vertrieben.

Die Firma Chr. Beck & Söhne bestand von 1892 bis 1985. Es wurden Ferngläser und Mikroskope gefertigt.

Die Firma Hertel & Reuss existierte von 1927 bis 1995. Sie fertigte vor allem Ferngläser und Mikroskope.

Das Versandhaus für Vermessungswesen Schmidt & Süße, später A. Walther KG bestand von 1903 bis 1987.

Die Optischen Werke Cassel, Carl Schütz und Co wurden 1900 gegründet und fertigten zuletzt unter dem Namen Ruf & Co bis 1971.

Über die Firma Siebert (Fernglas obere Reihe links) ist wenig bekannt.

Die Dr. Friedrich A. Wöhler Optische Fabrik fertigte bis 1980.

Ein weiterer Hersteller, von dem jedoch bei uns keine Geräte ausgestellt sind, war die Präzisionsoptik E. Froelich Kassel-Wilhelmshöhe.  


Reisemikroskop von den Optischen Werken Cassel, Carl Schütz & Co, 1912 bis 1920

Das Doppelpentagonprisma von Hertel & Reuss

Das Doppelpentagonprisma wird auch Winkelprisma genannt und wurde vor ca. 50 Jahren bei der Firma Hertel & Reuss in Kassel gefertigt. Das Doppelpentagonprisma spielte eine entscheidende Rolle bei Orthogonalverfahren (Rechtwinkelverfahren), um rechte Winkel abzustecken sowie einen Punkt auf einer Geraden aufzuwinkeln. Dies wurde in der Geodäsie angewendet, das ist die Wissenschaft, die sich mit der Vermessung und Darstellung der Erde beschäftigt. Bei Katastervermessungen und für Vermessungsingenieure war ein Winkelprisma unverzichtbar.

Bauweise

Prismenspiegel

Der Strahlengang im lichtdurchlässigen Glasprisma wird in den beiden übereinander liegenden Prismen nach links (L) und nach rechts (R) über verspiegelte plane Glasflächen abgelenkt, wobei zwischen den beiden Glasprismen sich ein weiterer 3mm dicker Glaskörper (G) zur Durchsicht befindet.

Messvorgänge:

Aufwinkeln (eines Punktes): Der aufzuwinkelnde Punkt C (Fluchtstab) wird durch das Durchsichtfenster des Winkelprismas anvisiert und durch Ausrichten des Winkelprismas gleichzeitig mit beiden zu beobachteten Punkten A und B der Messungslinie zur Deckung gebracht. Dann ist das Winkelprisma auf die Messungslinie eingefluchtet und das gesuchte Lot geht gerade durch seinen Lotfußpunkt Z. Die Strecke vom Standort C zum aufgewinkelten Lotfußpunkt Z verläuft rechtwinklig zur Messungslinie.

Absetzen (eines rechten Winkels): Ein abzusetzender Lotfußpunkt Z wird bestimmt, indem das Winkelprisma rechtwinklig zu einem festgelegten Punkt C auf der Messungslinie A-B gefällt wird.

Einfluchten (in die Messungslinie): Gesuchte Punkte, die auf der Messungslinie A-B liegen sollen, werden durch Fällen des Winkelprisma ermittelt. Dieses Verfahren wird beim Einfluchten angewandt, wenn dem Beobachter kein zweiter Mitarbeiter zur Verfügung steht

Genauigkeit: Die Winkelabweichungen beträgt etwa 0,02°, was auf einer Länge von 30m eine Abweichung von ca. 2cm des Lotfußpunktes ausmachen kann. Vorausgesetzt, dass alle Lot- und Fluchtstäbe lotrecht auf den Vermessungspunkten liegen.                                                      

Unternehmensgeschichte Hertel & Reuss

Die Optiker Eduard Reuss und Otto Hertel begannen ihr Berufsleben bei der Firma „AG für Optik Hahn – Görtz“ in Ihringshausen. Als diese Firma in den „Zeiß-Ikon-Konzern“ überging, verließen sie die Firma und gründeten am 3. Juni 1927 ein eigenes Unternehmen unter dem Namen „Hertel & Reuss“.
Das Produktionsprogramm bestand zunächst aus loser Optik, wie Prismen und Linsen. Kurze Zeit später folgten Objektive. Ab Mitte der 30er Jahre wurden auch hochwertige Ferngläser, Zielfernrohre, Teleskope und Operngläser produziert. Zielstrebig erfolgte der Ausbau des damals kleinen Unternehmens. 1938 wurde das erste eigene Gebäude bezogen. Im 2. Weltkrieg wurden Dienstgläser für die Wehrmacht hergestellt (Codierung emv).

Die Firmengebäude wurden 1944 durch Bomben zerstört. Ein Neubeginn erfolgte nach Kriegsende in der Quellhofstraße 67 in Kassel.
In dem Artikel „Kurhessische Firmen auf der Exportmesse“ berichtet die Hessische Allgemeine am 24.05.1949 über die Firma Hertel und Reuss:
„Die Firma Hertel & Reuß, Kassel, stellt in Halle 3 ihre zahlreichen Mikroskop-Typen mit Zubehör, Prismengläser und Zielfernrohre aus, die durch ihre gediegene Arbeit und angemessenen Preise bereits in den ersten beiden Tagen das Interesse in- und ausländischer Kunden fanden. So sprachen Vertreter einer indonesischen Kommission, Schweden und Holländer vor, die sich ausführliche Angebote geben ließen. Die Ausstellung ihrer Produkte in New York, Mailand und Stockholm durch Vertreterfirmen hat Hertel & Reuß die Wiederaufnahme alter Vorkriegsverbindungen und Anknüpfung neuer Beziehungen ermöglicht, die sich nunmehr zu realisieren beginnen.“
Am 17. Oktober 1951 schied Otto Hertel aus dem Unternehmen aus, Eduard Reuss war nunmehr Alleininhaber. 1967 übergab er die Firmenleitung an seine Söhne Helmut und Gerhard Reuss.
Größere Exportaufträge machten eine Erweiterung der Produktionsfläche und Erhöhung der Beschäftigungszahl auf rund 400 Mitarbeiter notwendig. In den 60er bis 80er Jahren wurden einige neue Fernglas-Modelle in verschiedenen Kenngrößen konstruiert. Die bekanntesten stammen aus der Modellreihe der Taschenferngläser „Peer". H & R fertigte unter anderem Mikroskope für Lehrmittelanbieter, wie die Franckh'sche Verlagshandlung oder Phywe, für ersteren beispielsweise das Humboldt-Mikroskop. 1970 wurden die „Physikalisch Technische Werkstätten B. Nickel“ in Marburg von „Hertel & Reuss“ übernommen. Ab Mitte der 80er Jahre sank die Nachfrage und die Belegschaft musste stark verringert werden. 1993 zählte das Unternehmen nur noch 90 Mitarbeiter und musste 1995 Insolvenz anmelden.
Heute werden unter dem Markennamen „Hertel & Reuss“ im Verbund „Nickel AG – Hertel & Reuss“ des Optikunternehmens Gerhardt Operngläser aus deutscher Fertigung angeboten. Der Vertrieb erfolgt über die im nordhessischen Naumburg ansässige Firma.

Stand der Technik orthogonaler Messmethoden und Geräten in der Geodäsie

Auch heute noch werden Doppelpentagonprismen hergestellt und vertrieben, um orthogonale Messungen durchzuführen. Jedoch werden immer höhere Anforderungen an Genauigkeit in der Vermessungstechnik gestellt, sodass mit Winkelprismen nur noch Messungen durchgeführt werden, um z.B. eine Baugrube für Baggerarbeiten abzustecken.                                                                                                                                                                    Moderne GPS- gesteuerte Theodoliten oder Totalstationen erreichen einen Messbereich von 1000m und eine Abweichung von zwei Sekunden. Mit diesen modernen Messinstrumenten kann der Horizontal- und Vertikalwinkel gemessen werden. Somit kann die Position des zu messenden Punktes in Lage und Höhe bestimmt werden.

 

Text: Hans Joachim Walter

Quellen:

  • Prospekte Hertel & Reuss
  • Sammlungen TMK
  • Hessische Allgemeine Zeitung
  • Wikipedia Hertel & Reuss, aufgerufen 05.12.2024
  • Wikipedia Doppelpentagonprisma, aufgerufen 05.12.2024

Hier finden Sie eine verlinkte Auflistung unserer seit Oktober 2020 vorgestellten Objekte des Monats. 

Mikroskopie

Um das Jahr 1400 sind auf Gemälden bereits Brillen zu sehen, die das Sehvermögen verbesserten. Auch so genannte Lesesteine waren bekannt, das sind Lupen, die auf Schriften aufgelegt werden, um sie zu vergrößern. Um etwa 1600 entdeckte man, dass stärkere Vergrößerungen zu erzielen sind, wenn zwei geeignete Linsen hintereinander angebracht werden. Die Erfindung des Teleskops, mit dem man entfernte Dinge vergrößern kann, wird dem niederländischen Brillenmacher Hans Lipperhey zugeschrieben. Galileo Galilei erfuhr von dieser Erfindung, entwickelte sie weiter und sah 1609 als erster Mensch die Monde des Jupiter und Krater auf dem Mond der Erde.

Dem niederländischen Naturforscher Antoni van Leeuwenhoek (1632 – 1723) gelang es als erstem, brauchbare Lichtmikroskope zu bauen, die er aus kleinen Linsen und Messingteilen zusammensetzte. Seine Methode der Linsenherstellung hielt er geheim. Die Mikroskopie eröffnete dem Menschen eine Welt, die bis dahin verschlossen war, und ermöglichte zahlreiche Entdeckungen, die in allen Bereichen der Wissenschaft Umwälzungen mit sich brachten. Van Leeuwenhoek selbst untersuchte alles, was er interessant fand, und beschrieb bereits drei verschiedene Formen von Bakterien, die er in seinem Mikroskop unterscheiden konnte.

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Christoph Beck & Söhne (CBS)

Christoph Beck gründete 1892 in der Schlachthofstraße eine feinmechanische Werkstatt. Er produzierte dort Ferngläser und Mikroskope. 1948 zog die Firma in die Wilhelmshöher Allee 38-42. Dort setzten ca. 100 Mitarbeiter die Produktion der Ferngläser und Mikroskope fort, hinzu kamen Lupen und Dampflokomotiv- Modelle im Maßstab 1:32. 1985 wurde der Betrieb eingestellt und teilweise von Hertel & Reuss übernommen. Produkte der Firma CBS zeichneten sich aus durch die Verwendung hochwertiger Materialien für Gehäuse und Optiken, durch allerhöchste Verarbeitungsqualität, aber auch durch sehr hohe Marktpreise.

Fernglas Merkur
Vergrößerung 7x
Linsendurchmesser 50 mm
Foto: TMK-kb

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