Primärenergie-Umwandlung zur Stromerzeugung

Im neuen Teilgebiet Primärenergie-Umwandlung das Sammlungsgebietes Elektrische Energietechnik werden wir in den nächsten Monaten und Jahren die Exponate des TMK zusammenfassen, welche aus einer Primärenergie wie der Wasserkraft (z. B. Fließgewässer wie Bäche und Flüsse, aufgestaute Gewässer wie ein Teich) oder chem. gebundener Energie wie dem Dieselkraftstoff durch dafür geeignete Verfahren elektrische Energie als Sekundärenergie "erzeugt". Das Wort "erzeugt" steht in Anführungszeichen, weil Energie nie erzeugt, sondern nur von einer Erscheinungsform in eine andere umgewandelt werden kann.

Ein Beispiel hierfür ist das – ursprünglich unter unserem Teilgebiet "Niederspannungstechnik" aufgeführte  "Netzersatzaggregat des KKH Wolfhagen", welches über einen zweifachen Umwandlungsprozess aus einem Erdölprodukt mithilfe eines Dieselmotors zunächst mechanische Energie in Form von Drehmoment und Drehzahl und dann daraus durch den Antrieb eines Drehstrom-Synchrongenerators elektrische Energie zur Verfügung stellt.

Ein weiteres Beispiel könnten leider nicht in Kassel und der Region hergestellte Solarmodule sein, welche aus dem Licht der Sonne mit Hilfe deren Photonen im dotierten Silizium Elektronen als Gleichstrom freisetzen. Damit ermöglichen diese sowohl direkte und indirekte Batterie-Ladung als auch eine Umwandlung in Wechselstrom zur Eigenversorgung sowie Netzeinspeisung , letzteres hergestellt in Kassel.

Seit dem 27. Juni 2025 präsentieren wir Ihnen ein echtes Highlight aus den Anfängen der lokal sehr begrenzten Elektrifizierung Nordhessens, nämlich die Komponenten einer kleinen Wasserkraftanlage an einem Flüsschen, kommend vom ehemaligen Fürstentum Waldeck. Nach dem Passieren des Landkreises Kassel mündet dieses in einen Nebenfluss der Fulda und viele der Komponenten stammen aus der Zeit um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. 

(last update 13.09.2025)

Historische Energieinnovationen – Die Wilhelmsmühle in Züschen


Freuen Sie sich bei einem Besuch des TMK mit unseren Vereinsmitgliedern und dem uns unterstützenden VDE Kassel auf diese am 27. Juni eröffnete Dauerausstellung "Historische Energieinnovationen" zur Energieversorgung des "Schlosses Garvensburg" und des "Ritterguts Züschen". Es ist – neben den vom Hessischen Staatsarchiv in Marburg gescannten, von uns bearbeiteten und ausgedruckten Zeichnungen eines Kasseler Ingenieurbüros zur Erneuerung bzw. Sicherstellung der Wasserrechte am Flusslauf der "Elbe" im ehemaligen Fürstentum Waldeck – mit einer Francis-Turbine und einem Drehstrom-Synchron-Generator vor allem historisch wertvolle Maschinen- und Elektrotechnik aus der Zeit um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zu sehen, begleitet von bestellten Vorträgen und Führungen.

"Wo und was ist Züschen, wo ist dort eine »Garvensburg« und welcher Ritter betreibt das Gut?" wird mancher Leser fragen. Ehemals gehörte die kleine Stadt zum Fürstentum Waldeck und lag in dessen südöstlichstem Staatsgebiet. Nach dem 1. Weltkrieg wurde aus dem Fürstentum – sehr verkürzt beschrieben – zunächst ein Freistaat, in 1929 wurde dieser in die preußische Provinz Hessen-Nassau eingegliedert und nach dem 2. Weltkrieg entstand daraus der Landkreis Waldeck im Bundesland Hessen.

In den 1970-er Jahren erfolgten zahlreiche Gebietsreformen in Hessen, von der auch der Landkreis Waldeck betroffen war. Die Stadt Züschen wurde ein Ortsteil von Fritzlar im Schwalm-Eder-Kreis. Oben bzw. rechts ist Züschen aus der Zeit vor 1939 abgebildet (Quelle *10). Das "Schloss Garvensburg" ist links oben im Park zu erkennen und das "Rittergut Züschen" (heute schon seit Jahrzehnten nicht mehr betrieben) mit ihren großen Gebäuden weiter rechts vor dem alten Park mit dem früheren Friedhof. Und bei Vergrößerung des heruntergeladenen Ortsbildes ist hinter der rechten Ecke der langestreckten Remise auch das Verwaltergebäude (s. Bild weiter unten) zu erkennen, in dem die Haupt-Schalttafel aus dem Artikel "6. Die Haupt-Schalttafel  des »Ritterguts Züschen« für den Strom aus der »Wilhelmsmühle«" hinter dem Fenster stand, auf welches der rote Pfeil zeigt.

In den Jahren 1894 – 1898 ließ der Industrielle Karl Wilhelm Friedrich Garvens aus Hannover auf den vorgeblichen Resten einer Ritterburg Züschen aus dem ehem. Besitz der begüterten Herren von Meysenbug(k), mit "Heinrich v. …" im Mannesstamm 1810 ausgestorben, das "Schloss Garvensburg" im Stil des späten Historismus als burgartige Villa errichten, umgeben von einem engl. Garten (s. Bild links bzw. oben, Quelle *1). Bis in die 1970-er Jahre blieb das Schloss im Besitz der Familie, danach wurde es bis 2019 u.a. als Hotel und Restaurant genutzt, dann verkauft und privat genutzt.

Wilhelm Garvens, 1908 von Fürst Friedrich von Waldeck und Pyrmont aufgrund seiner Verdienste in den erblichen Adelsstand erhoben und sich nun "von Garvens-Garvensburg" nennend, war als einziger Inhaber der "Commandit-Gesellschaft für Pumpen- und Maschinenfabrikation W. Garvens" zweifellos der Technik zugewandt, durchaus sehr vermögend und stattete sein Schloss entsprechend aus. Dazu gehörten nicht mehr Kienspan, Kerzenleuchter und Ölfunzeln, sondern selbstverständlich elektrisches Licht und motorische Kraft aus höchstwahrscheinlich zunächst Gleichstrom, in der Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert dann Drehstrom, erzeugt in der neu erstellten "Wilhelmsmühle" aus der  Wasserkraft der nordhessischen Elbe.

Wasserrechtliche Genehmigungsunterlagen der "Wilhelmsmühle" aus der Zeit nach Sicherstellung bzw. (Neu-)Verleihung der Rechte in den Jahren 1930 – 1934 und Schriftwechsel aus den 1960-/70-er Jahren mit der Eigentümerin Hildegard v. Garvens-Garvensburg werden im Staatsarchiv Marburg aufbewahrt und stellen für die Präsentation im Technik-Museum Kassel die aussagekräftigste Quelle dar. Fotos aus der bis 1962 dauernden Betriebszeit der vermutlich nach 1987 nicht mehr existenten und dann abgerissenen "Wilhelmsmühle" oder in die dort ansässige Schreinerei integrierten Gebäudeteile waren leider nicht zu erhalten. Die meist unscharfen und unterbelichteten Diapositive  aus der Zeit der Bergung sagen sehr wenig aus, sind erheblich interpretationsbedürftig und daher hier nicht wiedergabefähig.

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Stromerzeugung in der "Wilhelmsmühle" von 1893 bis zum Abbau 1987

Blatt 1 aus der Sicherstellungs- und Verleihungsurkunde des Regierungsbezirks Kassel im Land Preußen des Deutschen Reichs vom 18. Mai 1934 (s. links bzw. oben, Quelle *1)

Gern würden wir hier ein Bild der seit Jahrzehnten nicht mehr existenten "Wilhelmsmühle" präsentieren, am südlichen Ortsausgang von Züschen und "Oberen Stauweiher" an der den Ort durchfließenden nordhessischen "Elbe" gelegen. Alle Bemühungen waren bisher vergeblich, wozu sicherlich auch – nicht nur aus Sicht der Ortsbewohner – die hessische Gebietsreform in der Zeit von 1969 – 1979 beigetragen hat. Züschen, zur Zeit der Erstellung der Stromversorgungsanlage "Wilhelmsmühle" für das Rittergut und die Garvensburg mit Stadtrechten dem Fürstentum Waldeck zugehörig, wurde aus dem nach 1945 entstandenen Landkreis Waldeck herausgelöst und als Ortsteil der Stadt Fritzlar im Schwalm-Eder-Kreis zugeordnet.

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Die Turbinen der "Wilhelmsmühle" und die "Turbinenanlage am unteren Stauweiher" in Züschen

Nach dem "Energieerhaltungssatz" (auch "Gesetz von der Erhaltung der Energie" genannt) kann Energie nicht im eigentlichen Wortsinn "erzeugt", sondern lediglich von einer Form in eine andere Form umgewandelt werden. So wird z.B. die chemisch gebundene Energie in Braun- oder Steinkohle durch Verbrennung in Wärme zur "Erzeugung" von Dampf zum Antrieb von Lokomotiven wie dem hier ausgestellten "DRACHE" von Henschel oder der Hilfs-Dampfturbine von AEG zum Antrieb einer Kesselspeisepumpe umgewandelt. Oder es wurde die ebenfalls chemisch gebundene Energie von Dieselkraftstoff aus Erdöl zur Zündung und damit Antrieb des Henschel-Motors in dem ebenfalls hier ausgestellten Netzersatzaggregat zur "Stromerzeugung" bei Stromausfall im Kreis-Krankenhaus Wolfhagen umgewandelt.

Wasserturbinen nutzen, wie die über Jahrhunderte verwendeten ober- und unterschlächtigen Wasserräder, je nach Typ in unterschiedlichen Anteilen die kinetische Energie fließenden Wassers (Bewegungsenergie) und die potentielle Energie aus dem Höhenunterschied zwischen dem Oberwasser (Speicherbecken oder Fließgewässer-Aufstau) und dem Unterwasser. Wenn damit elektrische Energie gewonnen ("erzeugt") wird, spricht man von Wasserkraftanlagen (WKA).

Im TMK stellen wir interessierten Besuchern kostenfrei einen über QR-Code herunterladbaren Artikel zur prinzipiellen Ausführung der Francis-Turbine und im Detail zu den  beiden WKA am "oberen ..." und "unteren Stauweiher" an der Elbe mit Zeichnungen und einer Leistungsberechnung zur Verfügung. Dieser überschreitet den Umfang eines Internetartikels deutlich, daher übernehmen wir hier aus dem Artikeln nur Auszüge.

Das bei unserem Exponat einer Francis-Turbine zur Stromerzeugung benötigte Wasser trifft, vom Oberwasser über den Turbineneinlauf (s. "1" im Bild rechts bzw. oben, Quelle *1) und die sich bis zu ihrem hinteren Ende unter "1" verjüngende Einlaufschnecke "2" kommend, korrekter "Einlaufspirale" genannt, tangential auf die verstellbaren Leitschaufeln "3" des Leitapparates, und strömt radial auf das Laufrad "4", welche als Überdruckturbine den am Wassereintritt vor den horizontal rotierenden Schaufeln höchsten Druck bis zum Austritt in den axialen Turbinenauslauf "5" abbaut. Am Laufrad übergibt das Wasser seine Energie aus Fallhöhe und Menge auf dessen Schaufeln und verlässt axial abströmend die Francis-Turbine über den Turbinenauslauf "5" in das Unterwasser. Das Laufrad "4" wird durch das fließende Wasser in Drehung versetzt und übergibt die Rotationsenergie über die Turbinenwelle "6" an den Generator, im Fall der WKA "Wilhelmsmühle" mit ihrem 8-poligen Generator für 50 Hz über Riementriebe mit einer Übersetzung auf 750 U/min.

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Der Fliehkraft-Drehzahlregler der "Wilhelmsmühle" in Züschen

Im ausgehenden 19. und noch lange Zeit im 20. Jahrhundert (Jh.) wurden – neben der hier nicht beschriebenen Nutzung rein mechanisch wirkender Kräfte bzw. Drehmomente in Mühlen und Sägewerken – zur Erzeugung elektrischen Stroms neben Dampfmaschinen und später Dampfturbinen anfänglich auch ober- wie unterschlächtige Wasserräder und Wasserturbinen verwendet. Bei den zunächst benutzten Gleichstrom-Generatoren wirken sich ohne eine Regelung entstehende Belastungsänderungen über die sich zwangsläufig auch ändernde Drehzahl durch Spannungsänderungen aus, bei Wechselstrom- bzw. Drehstrom-Generatoren im Wesentlichen durch Frequenzänderungen. Je nach Belastung, in diesem Artikel  also durch den abgegebenen von den Kunden benötigten Strom des Generators, muss demzufolge bei den die Generatoren antreibenden Kraftmaschinen auch die durchströmende Dampf- bzw. Wassermenge verstellt werden. Was anfänglich bei Wasserturbinen durch manuelles Heben oder Senken der Schütze (brettähnliche Absperrungen) im offenen Zulauf realisiert wurde, so auch im ersten "Casseler" Wasserkraftwerk "Neue Mühle" an der Fulda gegenüber des heutigen Fuldabrück-Bergshausen, übernahmen schon um die Wende vom 19. zum 20. Jh. rein mechanische, später hydraulisch-mechanisch wirkende Regler. Diese nutzten die mit der Drehzahl einer Turbine variierende Fliehkraft von beweglich aufgehangenen bzw. gelagerten Massen.

Fliehkraft? Vielleicht erinnert sich der eine oder andere unter den Lesern an seine Kindheit, der Autor in jedem Fall: Milch holte man vor 70 oder 80 Jahren auch in Kassel-Harleshausen entweder beim Bauer oder dem Milch-/Käse-"Tante-Emma-Laden" in der Milchkanne, bestenfalls mit aufgestecktem Deckel. Und diese Kanne schwenkte man stolz durch heftiges Kreisen des Arms neben dem Körper. Könner verloren beim Schwenken keinen Tropfen Milch, denn die Mutter drohte ansonsten mit einer Ohrfeige! Zur Erklärung der Fliehkraft-Drehzahlregelung daher zunächst das Prinzip dieses Reglers am Beispiel der Regelung einer Drosselklappe: Von einer – von der Dampfmaschine bzw. Turbine angetriebenen – Welle wird direkt oder über Riemen deren Drehzahl erfasst und einem Fliehkraftregler (s. Grafik unten, *1) zugeführt. Abgeglichen mit Messungen, werden die mit steigender Drehzahl auseinander strebenden kugeligen Massen so eingestellt, dass ein stabiler Drehzahlzustand entsteht. Die kugeligen Massen links und rechts unten schwingen nämlich mit zunehmender Drehzahl weiter aus und ziehen dabei den Waagebalken links nach unten, was auf der rechten Seite zu einer justierbaren Schließung der Drosselklappe für den Dampf oder das Wasser und damit zur Sollwertangleichung führt.

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